kunst und philosophie

Angelica Baeumer


EINE AUFGABE DES KULTURFORUMS

Das Niederoesterreichische Kulturforum hatte besonders durch seinen langjaehrigen Vorsitzenden, den Germanisten und Philosophen Franz Slawik, eine starke Hinwendung zu Literatur und Philosophie. Franz Slawik war der ueberzeugung - und damit stand er vor 25 Jahren sehr allein da -, dass in einer Zeit, in der die geistigen Werte hinter den technischen, die spirituellen hinter den materiellen zurueckstehen, es dringend geboten ist, dem Philosophischen und Kuenstlerischen, dem Nachdenklichen und Kreativen Raum zu geben. Gerade auch in einer Organisation, die der Sozialdemokratie nahesteht, war er sicher, dass das vielbeschworene Wort von der „Basiskultur" einer Deutung bedarf, die nicht darauf hinauslaeuft, dass man der Basis (was immer das sein mag) panem et circenses bieten muss, sondern geistige Nahrung. Die wollte er geben und um die ging es ihm in seinen Bemuehungen um Kunst und Kultur, um Wissenschaft und Philosophie, und es ging ihm um hohes Niveau und ueberzeugende Qualitaet.

„Das Niederoesterreichische Kulturforum versteht sich selbst als eine Staette kultureller Begegnungen." schrieb Franz Slawik 1976 anlaesslich eines Symposions mit dem Titel: „Jenseits von Blut und Boden", das sich mit durch die Nazis verunglimpften Begriffen befasste und ermoeglichen sollte, dass man beispielsweise das Wort "Heimat" wieder sagen darf, ohne sofort an die Tausend-Jahre zu erinnern, und das so unterschiedliche Persoenlichkeiten wie den Philosophen Peter Heintel und die Dichter Hans Weigel und Jeannie Ebner als Vortragende vereinte. Slawik verstand es auch meisterlich, die Begriffe "Zentrum" und "Peripherie" nicht nur zu verwenden, lange bevor sie Mode wurden, sondern auch "Provinz und Hauptstadt" als sich bedingende Gegensaetze und wesentliche Ergaenzungen zu verstehen, jenseits von ueberheblichkeit und Minderwertigkeitskomplex. Das Noe Kulturforum wollte von seiner Gruendung an - ganz im Sinn des damaligen LH Stellvertreters Hans Czettel, von dem einst Bruno Kreisky sagte, dass er „ewig jung sei", nicht nur, aber wohl auch weil er: "komponiert, dichtet, zeichnet und von der Natur mit vielen Gaben ausgestattet wurde, die man braucht, um fuer andere da zu sein." - eine Moeglichkeit bieten, die regionalen kulturellen Interessen zu foerdern und "helfen, ein niederoesterreichisches kulturelles Selbstverstaendnis zu artikulieren."
Von einem furiosen Anfang und vielen unterschiedlichen Veranstaltungen hat sich das Noe Kulturforum immer mehr zu einem Verein entwickelt, der da helfen wollte, wo die oeffentliche Hilfe ausblieb. Auch war es in den 70er Jahren noch notwendig, einer sehr konservativen niederoesterreichischen Kulturpolitik ein zeitgemaesses und aufgeschlossenes Gegengewicht zu bieten. Aber auch als im Laufe der Jahre die offizielle Politik immer offener und mutiger wurde, unterstuetzte das Kulturforum weiterhin und programmatisch kleine und unscheinbare, aber gegenwartsbezogene und zukunftsorientierte Projekte und verstand seine Aufgabe immer mehr darin "Bruecken zu bauen, scheinbar divergierende Meinungen zusammenzufuehren und dabei Moeglichkeiten zu schaffen, die den Menschen unseres Landes den Zugang zur Gegenwartskultur erleichtern", wie Leopold Gruenzweig, der damalige LH Stellvertreter zum 10jaehrigen Jubilaeum des Forums schrieb. Es galt immer noch, die aktuelle Kunstszene zu unterstuetzen und zu foerdern, indem Ausstellungen organisiert und Kataloge gedruckt, Vortraege und Diskussionen veranstaltet wurden.

Das Ziel war es, dass die einzelnen Regionen des Landes und ihre Kuenstler eine unbuerokratische Hilfe fanden, die manchmal in Geldzuwendungen, oefter allerdings auch in persoenlichen Gespraechen und Kontakten bestand, die den Kuenstlern oftmals den notwendigen „naechsten“ Schritt in ihrem Denken und Arbeiten ermoeglichten. Der Verein war klein, seine Proponenten waren erreichbar, verstanden sich als Vermittler und Neugierige, denen daran lag, dass sich Eigenes entwickelt, so dass sowohl Kuenstler wie Denker sich weniger einer anonymen staatlichen Subvention gegenueber sahen, als einem persoenlichen Engagement, zum Beispiel durch den langjaehrigen Geschaeftsfuehrer Kurt Fuss.

Das NoeKF suchte und fand vergessene Persoenlichkeiten, allen voran den Komponisten Josef Matthias Hauer, den Begruender der Zwoelftonmusik, von dem Konzerte veranstaltet und eine Platte aufgenommen wurden, aber auch die Philosophen Ferdinand Ebner und Franz Fischer wurden sozusagen „wiederentdeckt“, ihren Thesen und Texten mehrere Symposien und Publikationen gewidmet, die ganz dazu angetan waren, dem Paedagogischen in der Philosophie jenen Stellenwert einzuraeumen, der ihm zukommt. Franz Fischer wurde in seiner Heimatgemeinde Neunkirchen sogar ein von Charlotte und Johannes Seidl geschaffenes Denkmal errichtet.

Kunst und Philosophie sind heute weniger zu trennen als noch vor etlichen Jahren, es gibt eine ganz eigene Kunstphilosophie, die sich der Deutung der zeitgenoessischen Kunst verschrieben hat und ohne die heute weder Ausstellungen, noch Kataloge oder Diskussionen zu denken sind. Vor 25 Jahren war das noch anders, da waren Texte zur Kunst entweder kritisch, sachlich oder kunsthistorisch, heute hat die philosophische Betrachtung, Analyse und Darstellung einen anderen und wesentlichen Stellenwert, ohne den die aktuelle Kunst kaum denkbar ist.

Es waere vermessen zu behaupten, dass das Noe Kulturforum eine Vorreiterrolle gespielt hat, indem es Entwicklungen vorweg genommen hat. Dazu war das Forum zu wenig bekannt und hatte zu wenig Einfluss. Dass sich hier aber Tendenzen vorbereiteten, ist nicht zu uebersehen. Kunst und Philosophie haben immer zusammengehoert, sie trennten sich allerdings durch das „l’art pour l’art“ der letzten Jahrhundertwende, wo die Kunst sich selbst genuegte und die Philosophie pragmatisch wurde oder im Elfenbeinturm verschwand. Heute ist es wieder wichtiger, die Texte von Konrad Paul Liessmann, von Paul Virilio oder Vilém Flusser zu lesen, als die von irgendeinem Kunsthistoriker, obwohl sich die besten unter ihnen heute auch mehr als Philosophen denn als Historiker verstehen. Daher erscheint es wesentlich, dass sich das Kulturforum in seinem selbst gestellten gesellschafts- und kulturpolitischen Auftrag weiterhin der Kunstund der Philosophie, als ein sich gegenseitig Bedingendes und Ergaenzendes verpflichtet fuehlt.

Die Veraenderungen der letzten Jahre haben auch vor dem NoeKF nicht halt gemacht. In der Fuelle der Moeglichkeiten einerseits und der Beduerfnisse andererseits ist teilweise die urspruengliche Aufgabe einer regionalen Positionierung verloren gegangen. Die Globalisierung auf allen Gebieten hat der Kultur, der Kunst und der Philosophie zwar neue Raeume und Zusammenhaenge erschlossen, aber auch zu einer Internationalitaet gefuehrt, in der sich der Einzelne kaum mehr wiederfindet. Die Suche nach Inhalten und den Hintergruenden von Denken - Philosophie - und Tun - Kunst - sind in Zeiten von ueberflutender Information und gesellschaftlichen Zwaengen aber eine Aufgabe fuer die Zukunft, die hohe Konzentration und Aufmerksamkeit verlangt.