kunst und kommunikation
RICHARD G. KueNZ
A-3492 Engabrunn 29
Geboren 1945 in Wien, Studium der Architektur, seit 1978 freischaffender Kuenstler.
Beschaeftigt sich mit Kontemplation und Zen-Buddhismus.
Ausstellungen u. a. in der 'Praesentation am Bauernhof', Anzing/Noe.
Studienreisen nach Schottland und in die Toskana
Ich glaube an die Kraft der Stille Der heutige Nachmittag ist verregnet, seit Wochen sind dies die ersten Niederschlaege. Ich setze mich in meiner Werkstatt an das Zeichenbrett, nehme ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber zur Hand und versuche, einige Gedanken zu einem konkreten Thema zu formulieren. ueber mir toben die Kinder in ihrem Zimmer, mein Schreibgeraet, das Werbegeschenk einer Bank, knackst staendig stoerend beim Schreiben, und ich vertraue darauf, dass auch ein schlechter Beginn ein gutes Ende finden kann. K und K, ich male vertraute, verfaengliche, verwirrende Kuerzel auf das Papier. Oder praeziser - Ku und Ko. Ku & Co also, aber weiche Co, die muni, munikatzi, die Communi etwa, die Co- oder Kommunion; waere schoen, wenn die mit der Ku, wuerde ich gern akzeptieren. Aber jetzt her damit, reiss dich z'samm: die Ko, die Kommuni, die Kommunikati (es wird schon, bleib dran) - die K o m m u n i k a t i o n. Na also! Und jetzt noch einmal schoen das ganze aufgeschrieben: Kunst und Kommunikation.
Es waere angebracht und entspraeche manchen Gepflogenheiten, auszufuehren, was ueber diese Begriffe aus dem Lexikon zu erfahren ist. Ich will uns das ersparen, ich will auch keine persoenlichen, subjektiven Definitionen beisteuern, ich will diese beiden Begriffe zunaechst einmal fuer sich stehen lassen, im Raum oder wo immer sonst. Und wenn ich sie betrachte, wie sie so dastehen, stelle ich fest - sie stehen einander gegenueber. Und hier, so scheint's mir, liegt der Hase im Thymian (ich mag Pfeffer nicht). Sie stehen einander gegenueber. Sie sollen zusammengefuehrt werden und wissen zunaechst nicht recht, was der eine mit dem anderen will. Was koennen sie miteinander? Was kann jeder fuer sich? Koennen sie gemeinsam mehr, macht die Einigkeit (oder Vereinigung) sie stark, wer von beiden kann mehr mit dem anderen oder mehr fuer sich allein?
Wie schon versprochen, will ich die Begriffe nicht einengen, keine Grenzen ziehen; es moege jeder fuer sich die Worthuelse Kunst mit dem fuellen, was er an eigener Anschauung einbringen kann. Wenn wir uns dann noch darauf einigen, unter Kommunikation unser miteinander Reden, das Empfangen anderer und die Weitergabe eigener Ansicht und Erfahrung zu verstehen, sind wir einen grossen Schritt vorangekommen.
Ich verstehe Kunst und Kommunikation als ein Begriffspaar, Kommunikation mittels Kunst als ein Ereignis, weiches seit Jahrtausenden taeglich statt findet, dessen Inhalte sich gewandelt haben, dem aber eine Ursprache zugrundeliegt. Das spueren wir — so verschiedenartig uns die Mundarten auch erscheinen moegen. Wohl spannt sich der Bogen von der Magie und Beschwoerung ueber die Verherrlichung und den Herrschaftsanspruch bis herauf zum mediengerechten Spektakel, stets geschah dabei jedoch eines: den Zeiten wurden Zeichen gesetzt, den Epochen Formeln zugeordnet, und so sehen wir heute die Werke der Kunst insgesamt als die abstrakte Niederschrift der Menschheitsgeschichte. Kommunikation durch Kunst findet auch heute statt, aber auf weicher Ebene, in welch dunklen Winkel gedraengt? Wie hat sich doch Art und Weise der Kommunikation geaendert, wie ist sie doch beherrschend, weltumspannend, aber auch oberflaechlich und kurzlebig geworden?
Wir reden heute von Massenkommunikationsmitteln, in ihnen regiert der Wahn der grossen Zahl, welcher der Wahn unserer Zeit geworden ist. Wir kommunizieren mit Menschen in allen Winkeln der Erde, zu allen Tages- und Nachtzeiten, in allen Welt- und Fachsprachen, jagen unsere Bilder und Stimmen ueber Satelliten hierhin und dorthin, verhandeln, verkaufen, berichten; eine maechtig anschwellende, verwirrende Sprachsymphonie droehnt durch den aether - explodierend - klirrend. Zerfaellt. Das Gespraech haben wir fast schon verlernt.
Ja, unsere Zeit scheint mir weitgehend sprachlos geworden zu sein. Wer mitreden will, muss dies mediengerecht tun. Die Kommunikation muss eine a n g e p a ss t e sein. Das eigene Informationsangebot muss neben den vielen anderen nicht nur bestehen, es muss diese uebertreffen, egal worin. An Originalitaet? Ja! An vermeintlicher Aktualitaet? Ja! An Lautheit? Wohl auch. Was das fuer das Kunstwerk bedeutet, moege sich jeder selbst ueberlegen. Ich glaube an die Kraft der Stille. Ich glaube an die zehn Finger meiner Haende, die siebzig Schlaege meines Herzens in der Minute, ich glaube an die zwoelf Stunden des Tages und die zwoelf Stunden der Nacht. Ich glaube an den Haendedruck, die Bruecke von Mensch zu Mensch, an die Kommunikation alter Art. Ich glaube daran, dass der einzelne vor dem Kunstwerk steht. Und mit mir in einer Sprache redet, in einer Mundart dieser Ursprache; und mit mir feiert.